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SEGELN LERNEN IN NORTHEIM
So, nun ist es soweit. Seit dem 18. Januar 2001 wird wöchentlich 2 mal die Theorie zum Erwerb des "Amtlichen Sportboot-Führerschein Binnen Segeln und Motor" gelernt. Erster Eindruck: Eine Fremdsprache wird erlernt. Sätze wie "Die Reffkausch am Vorliek wird niedergeholt, die am Achterliek niedergeholt und gestreckt." hören sich nicht nur seltsam an, sie bekommen nun auch eine Bedeutung. Und diese zu kennen und zu verstehen, tja das ist das Ziel. Viele neue Worte suchen Zugang zum Sprachschatz: Schothorn, Achterliek, Dirk, Knickspant, Lenzventil, Lateralplan, Slup, Yawl, Ketsch und so weiter. Alle haben eine Bedeutung. Auch schon bekannte Begriffe wie Baum, Kopf oder Hals kommen nun nicht mehr nur in althergebrachten Bedeutungen daher, nein, es gibt jetzt auch neue Zusammenhänge.
Nachdem nun erste Grundbegriffe erlernt wurden und ein Boot eben nicht nur einfach ein Boot ist, sondern eine Jolle oder ein Kielboot oder gar eine Kielschwertyacht, nun wird es auch noch nacht. Aber nicht einfach wenn es dunkel wird, nein sondern nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang. Zu genau festgelegten Uhrzeiten. Da müssen dann vorgeschriebene Bordlichter geführt werden. Und damit alles klar wird müssen eben diese nicht nur vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) baumustergeprüft sein, sie müssen auch bei unsichtigem Wetter geführt werden. Und um den Anfänger so richtig zu verwirren, werden diese baumustergeprüften Topplichter, Seitenlichter, Rundumlichter, Funkellichter, springende Lichter und Hecklichter in geradezu künstlerischer Vielfalt an Ruderbooten, Segelbooten, Motorbooten unter 20m, Motorbooten größer gleich 20m, Motorbooten größer 110m, Schleppverbänden, Schubverbänden, nicht frei fahrenden Fähren und frei fahrenden Fähren (Liste nicht vollständig) angebaut. Und natürlich erkennt man dann nachts auf Anhieb wer da von vorn, von hinten oder seitwärts herumfährt. Äh, ja ....
Hallo, da bin ich wieder. Inzwischen ist viel Wasser die Leine runter geflossen. Das mit dem Segeln hat sich mächtig weiterentwickelt. Nachdem es schließlich doch gelungen ist in das Sprachgewirr der Segelei eine gewisse Ordnung, Verständnis und sogar Verstehen zu bringen, ist im März der Termin für die schriftliche Prüfung. Und es kam wie es kommen musste nach so viel Lernarbeit. Wir haben alle bestanden. Puh, das war dann doch schon eine Hürde. Sehr aufbauend sind da die kleinen Geständnisse der Mitsegellernenden ob der Mühsal der verbrachten Wochen. Einige haben wie ich auch wieder und wieder alle Prüfungsbögen durchgeackert und die Fragen gelernt. Andere haben extra freigenommen, um sich den ganzen Stoff am Tage vor der Prüfung rein zu ziehen. Schwierig zu verstehen ist dann die Aussage einer jüngeren Segelschülerin: "Wieso lernen? Lars hat doch beim Unterricht alles erklärt. Braucht man sich doch nur zu merken..." Tja, schön so jung und aufnahmefähig zu sein. -
Nun, das Thema ist jedenfalls abgehakt und nun warten alle gespannt auf den Beginn der praktischen Schulung auf dem Northeimer Kiessee.
Tja, und endlich ist es so weit. Lars ruft an und der Termin für die erste Fahrt mit einem Segelboot steht fest: am ... ist es endlich soweit. Wir treffen uns am Kiosk, bewaffnen uns mit den Segeln und auf geht's. Zuerst wird das Boot aufgebaut. Lars erklärt alles sehr genau. Bei den 2 Booten, mit denen wir es nun zu tun haben werden, handelt es sich um 420er Jollen. Das sind Zweihandboote, lerne ich. Womit dann klar ist, daß man zu zweit segelt. Einer ist zuständig für die Bedienung des Vorsegels und heißt deswegen "Vorschoter", der andere bedient das Ruder und das Großsegel und ist der Steuermann.. Und der darf dann auch die Kommandos geben.
Aber langsam, erst mal das Boot aufbauen: Dazu muss der Steuermann als erster in das Boot einsteigen. Zur Sicherheit hält man sich an einem Want fest und lernt gleich mal etwas aus dem Bereich der Elektrostatik: Wenn man in Turnschuhen ca. 50m über einen Schwimmsteg aus Kunststoff gelaufen ist, tja dann sammelt man massig viel Elektronen ein, und die wollen natürlich alle schlagartig auch mit aufs Boot und springen alle gleichzeitig von der Hand auf das Drahtseil, das man auch Want nennt, weil es ja den Mast hält. Es zuckt gewaltig und man nennt das dann wohl "elektrostatische Entladung". Nach dieser Begrüßung steigt man ins Boot und kämpft von nun an nicht nur mit dem eigenen Nichtwissen ob der Dinge, die nun zu tun sind, nein, das Gleichgewicht zu halten ist nun genauso wichtig und schwierig. Zuerst werden die Schoten des Vorsegels durch die Ösen am Boot gefädelt und ein Achtknoten ans Ende geknüpft, damit die Schoten nicht gleich wieder ausrauschen. Ein schönes Wort: "Ausrauschen". Danach wird das Vorsegel an das Fockfall angeschäkelt. Während sich der Steuermann damit rumärgern darf (Natürlich klemmt der Schäkel und man kriegt erst das Ding nicht auf, dann darf er natürlich nicht runterfallen und wenn man dann endlich das Ding in das richtige Loch am Segel reingefummelt hat, geht er natürlich nicht zu.), hakt der Vorschoter von außen das Vorsegel am Fuß des Vorstags fest. Nun heißt es "die Fock steif durchsetzen" und das Fockfall, das in der Regel backbordseitig am Mastfuß zu finden ist, an der dafür vorgesehenen Klampe zu belegen. Je nach Windrichtung flattert das Vorsegel nun lustig vor sich hin. Aber bevor sich Stolz breit machen kann: jetzt wird noch das Ruderblatt abgesenkt. Dazu gibt es zwei Leinen. An der richtigen Leine ziehen und gleichzeitig die andere fieren und dann beide festklemmen. Erledigt. Nun noch das gleiche mit dem Schwert durchführen. Es wird. Jetzt das noch aufgerollte Großsegel an Bord nehmen. Es macht Sinn, es gleich richtig herum hinzulegen, das erleichtert dann das Setzen. So, jetzt wird schon mal der Schäkel des Großfalls am Großsegel befestigt. Nun muss das Boot zum Setzen des Großsegels in den Wind gedreht werden. Diese Aufgabe fällt dem Vorschoter zu, der ja immer noch mehr oder weniger gelangweilt, quatsch natürlich aufmerksam zuschauend auf dem Steg steht. Ist diese Aktion erfolgreich verlaufen, so wird nun das Großsegel gesetzt, das Großschot sowie der Baumniederholer befestigt und nun kann es losgehen. Äh, was mir grad noch einfällt: selbstverständlich haben wir unsere Rettungswesten angelegt und die Ausrüstung des Bootes mit Bootshaken, Schöpfkelle mit Schwamm und einem Paddel ist auch vollständig vorhanden. Je nach vorher besprochener Methode wird der Vorschoter das Boot nun in den Wind drehen, ins Boot steigen und es kann los gehen. All das ist noch halbwegs gut durchführbar, wenn jemand dabei ist, der sich auskennt. Aber wie die folgenden Übungssitzungen dann ergaben, irgendwann lernen sich die Handgriffe und es beginnt dann richtig Spaß zu machen, wenn die Unsicherheit nachlässt.
Befindet man sich dann noch trockenen Fußes und mit etwas Wind auf dem See, ja dann kommt auch schon mal richtig Freude auf. Man setzt sich gerade hin, hält die Pinne wie gelernt, bemüht sich um einen halbwegs geraden Kurs und um eine vernünftige Segelstellung - klappt ja schon ganz gut. Bis dann halt Lars mit dem Motorboot aufkreuzt. Das führt erst mal zu etwas Hektik im Boot. Ist alles in Ordnung? Habe ich mal wieder was falsch gemacht? Tja und irgendwie gibt es immer noch Kleinigkeiten zu verbessern: die Fender sind im Boot wohl besser aufgehoben, die Ruderpinne bei der Halse mit dem verlängerten Rücken zu fixieren, um die Hände zum Dichtholen der Großschot frei zu haben ist auch nicht die richtige Haltung, und die Kreativität beim Erfinden neuer Segelmanöver ist wohl auch nicht erwünscht. Erstaunlich immer wieder, wie viele Versionen dieser Segelmanöver unter dem all umfassenden Begriff "Patenthalse" zusammen gefasst werden können. Im Laufe der Zeit lernt man auch, dem Wind die Schuld für einige Aktionen zu geben. Wenn man den See überquert hat und einen schönen Schlingerkurs mit killenden Segeln, einer ungewollten Wende usw. hinter sich gebracht hat einigt man sich im Boot doch häufig: "Auf diesem See wechselt der Wind ständig seine Richtung." Vielleicht lernt der Wind ja auch noch und wird irgendwann ja doch aus einer Richtung blasen.
Die Zeit rennt, wir rennen mit, oder auch segeln macht Spaß und "je Wind desto Spaß". So kann man die letzten Wochen umschreiben. Das "Mann über Bord Manöver" wurde zwar noch nicht im wörtlichen Sinn gebraucht, aber gebadet haben wir doch schon fleißig. Dabei lernt man sehr schnell, daß nicht nur der heftig einsetzende Wind oder ein Querschlagen des Bootes nach einer Patenthalse oder ähnlichen Manövern Ursache für Kenterungen sein können. Nein, das Sprichwort "Hochmut kommt vor dem Fall" hat irgendwie auch beim Segeln seinen Sinn. Da freut sich der Segelschüler über richtig guten Wind, die Segel fangen mächtig an zu ziehen, die Fahrt nimmt zu und die Krängung auch. Also heißt es ausreiten und das Boot gerade halten, es wird noch schneller, Stolz und Freude über das eigene Können trüben den Blick (hoffentlich sehen andere dieses hervorragende segeln und wie toll kann man das doch schon) Bis dann irgendwie der Wind plötzlich weg ist. Und platsch hängt man im günstigsten Fall mit dem Hinterteil im Wasser, noch effektvoller ist es, wenn man nun noch abfällt und so den ganzen schönen Schwung benutzt, um die Mannschaft leewärts über Bord zu kippen, um die Frage "Wie kalt ist eigentlich das Wasser?" bei dieser günstigen Gelegenheit gleich mal zu klären. Mit diesem Wissen über die Wassertemperatur gestärkt, ist das Aufrichten des Bootes dann nur noch eine kleine Dreingabe... Eine weitere Methode ist folgende: mit viel Krängung segeln, dabei die Segelstellung durch Rücksprache mit dem hinterherfahrenden Segellehrer optimieren, die Kurshaltepflicht ernst nehmen und das bisschen Wasser, das da über die Bordwand ins Boot läuft, tja das haben wir noch nicht gehabt. Ist auch unwichtig, bis das Boot dann nicht mehr fahren will und alles voll Wasser ist und das Boot umkippt. - Wir bleiben aber am Ball und werden hart daran arbeiten, weitere Möglichkeiten zu finden, wie man ins Wasser fällt.
Natürlich gibt es auch viel Fortschritt im wirklich guten Sinne. Die Segelmanöver gelingen nun immer besser, die Halse wird im Detail besser und dann ist es immer wieder gut, wenn Lars mit nie nachlassender Geduld und anschaulichen Zeichnungen mit viel Erklärungen und auch durch perfektes Vormachen den Feinschliff wirklich gekonnt vorantreibt. Ein Tag mit richtig viel Wind ist dazu angetan, um den Spaß am Segeln zu bringen, aber auch um Fehler aufzudecken. Das ach so lästige Stützruder bei der Halse, das richtige "Timing" bei der Wende, der Sinn des Beiliegers (das ist ein Segelmanöver!), all diese Dinge finden plötzlich Ihre Notwendigkeit, wenn der Wind so richtig bläst. Und so ein Starkwindtag fördert dann den Eifer des Übens all der Kleinigkeiten an normalen Tagen.
Immer wieder interessant sind auch die Zusammenstellungen der Segelpaare. Man findet schon heraus, wann ein Vorschoter wunderbar mitdenkt und so Kleinigkeiten wie das Ausbalancieren des Bootes ernst nimmt. So ist auch dieser Part, nämlich wer segelt mit wem sicher für die spätere Zukunft von großer Wichtigkeit. So richtig interessant sind solche 2-stündigen Zweisamkeiten aber erst, wenn Flaute ist. Dann ist es erst mal wichtig, Lars zu überreden, daß Segeln möglich und wichtig ist, um ja die Knotenstunde zu vermeiden. Ist das gelungen, und hat man dann irgendwie ein paar hundert Meter zwischen sich und den Steg gebracht, dann kann man in aller Ruhe über alles Mögliche plaudern. Stellt man dann fest, daß der andere auch so ein verkappter "Weltumsegler" ist und sich sehr gerne ein Leben jenseits der täglichen Arbeit auf fernen Weltmeeren einrichten würde, tja dann ist es eigentlich gar nicht so ganz falsch, daß der Northeimer Kiessee in seiner Größe keinen Ausgang Richtung Atlantik hat. So genießt man halt das Dahindümpeln mit dem einschläfernden Plätschern, den Kinderstimmen, die vom Badeufer herüber wehen, die warme Sonne und dem leisen Luftzug mit der monotonen Autobahngeräuschuntermalung aus der Ferne; ....das bräuchte man, wenn man abends nach einem Stressarbeitstag einfach nicht einschlafen kann.
Neulich ist mir da beim Segeln fast unter gegangen, sprich ich habe fast vergessen eine Wende einzuleiten, weil ich so fasziniert meinem Vorschoter zugesehen habe, wie er mit viel Sorgfalt und Hingabe mit dem Schwamm das letzte Restchen Wasser aus dem Boot gewischt hat. Ich wollte Ihn einfach nicht stören bei seiner Tätigkeit. Na, aber ans Ufer knallen bringts dann ja auch nicht. In dieser Segelstunde habe ich mich schon gefragt, ob der ruhige Wind oder meine Segelei die Ursache dafür war, daß mein 2ter Mann das Boot einer wirklich gründlichen Inspektion unterzog. Das Wasser war raus, dann wurden die Schäkel geprüft, die Wanten auf ihren festen Sitz getestet, die Wantenspanner mit den Splinten waren auch ok. Die Fenderknoten neu gesetzt, die Leinenlänge ist jetzt in Ordnung. Ich habe ganz vergessen, Lars zu informieren, daß er die Routineinspektion des blauen Bootes für Juni beruhigt abhaken kann. Ich fand es da schon nicht ganz in Ordnung von mir, diese wirklich wichtigen Tätigkeiten immer wieder durch Wenden, Halsen, Beiliegen, Boje über Bord Manöver oder gar Rückwärts segeln zu unterbrechen. Nichts für Ungut. Ist natürlich nicht so ernst gemeint, war aber eine schöne Segelstunde, denn die Segelmanöver klappen schon ganz gut.
So, am Freitag war es endlich soweit: Sonnenschein mit Hochdruckwetterlage und einem Ostwind mit der Stärke 3-4, in Böen bis 5. So richtig gut. Unbeschreiblich das Hochgefühl, wenn der Wind das Boot beschleunigt und man auf leichtem Raumschotkurs bei entsprechend eingestellten Segeln ausreitet und ins Gleiten kommt. Da kommt so richtig Freude auf. Daß wir dabei klitschnass wurden haben wir gar nicht gemerkt. Lars kam extra mit dem Motorboot raus und hat uns noch geholfen, die richtige Segelstellung und den rechten Kurs zu finden. Und man konnte merken, dass er am Liebsten mitgesegelt wäre. Tja, da ist es schade, daß der Northeimer Kiessee nicht ein paar Kilometer größer ist und man dauernd Wenden fahren muss. Bevor wir an diesem Freitag dieses schöne Erlebnis haben durften, wurden natürlich alle Manöver geübt. Das ist bei diesen Windverhältnissen auch nicht ohne. Fehler werden sofort aufgedeckt. So lernt man aber auch die Wichtigkeit der exakten Ausführung aller Segelmanöver zu akzeptieren. Puh, ganz schön heftig das Ganze. Im Nachhinein muss ich mich noch bei meinem Vorschoter entschuldigen: nachdem er eine Armverletzung überstanden hatte und seit langem das erste mal im Segelboot unterwegs war, dafür kam es bei diesem herrlichen Segelwetter natürlich gleich ziemlich heftig und anstrengend. Und ich habe wenig Rücksicht genommen. Zusätzlich war ich so mit der Situation beschäftigt, daß ich beim Wenden das Ausführungskommando "Re" meistens vergessen habe. Sorry und Danke. Getrübt wurde dieser Nachmittag eigentlich nur durch das missglückte Anlegemanöver. Mit viel Wind im Rücken nur unter Vorsegel kamen wir mit viel Fahrt an den Steg heran. Ich habe übervorsichtigerweise zu früh auffieren lassen und so sind wir dann mit zu wenig Fahrt an den Steg herangekommen. Und da wir die Leeseite anfuhren, war dann die Ruderwirkung weg, die Fahrt schon vorher und wir haben den Steg verpasst. Also am Nachbarboot abstoßen und hoffen, dass Lars nichts mitgekriegt hat, sonst hätte er uns wahrscheinlich noch mal rausgeschickt: anlegen üben. Naja, ist alles gut gegangen. Ist mir aber eine Lehre für die Zukunft.
Der Termin für die praktische Segelprüfung steht nun auch fest: am 1. September ist es soweit. Das bringt gleich noch mehr Aufregung und Spannung. So ist überhaupt zu bemerken, daß einerseits das Segeln immer mehr Spaß bringt, aber auch der Anspruch steigt. Und so ist auch die Erwartungshaltung vor so einer Segelstunde ziemlich unterschiedlich. Von "hoffentlich haben wir so richtig guten Wind" bis "Segeln macht ja Spaß, am Besten wäre das jedoch, wenn der Wind nicht wäre. Man müsste ohne Wind segeln können. Mit Motor ist ja nicht umweltgerecht."
Besonders nett sind bei unseren Unterrichtsstunden auch die Vor- und Nachbesprechungen. Man sitzt so richtig gemütlich zusammen und kann die Gedanken austauschen. Dazu ein Bier, Kaffee oder Cola vom Kiosk und neuerdings die Kurzweil durch die Badegäste, die ja ihre Eintrittskarten beim Kiosk kaufen.
Fortschritte allenthalben: Segeln geht nur richtig gut und macht dabei auch Spaß mit Wind. Bei uns allen. Das ist super gut. Und das Nervenflattern vor einer Übungsstunde ist wohl inzwischen bei allen weg. Man schaut nach dem Wetter und freut sich über Sonne und Wind. Windunabhängiges Sportbootfahren wird inzwischen auch geübt: mit dem Motorboot . Hat auch was, mal so richtig "Raudimäßig" auf dem Kiessee unterwegs zu sein. Mit 40PS und einem relativ kleinen Boot kann man so richtig schöne Wellen fabrizieren, womit sich dann die Wind suchenden Segelkollegen erfreuen können. (Hihi) ... Aber ernsthaft gefahren hat so ein Motorboot zwar nicht so sehr viel Probleme mit Wind, aber aufstoppen, auf engstem Raum wenden, Boje über Bord Manöver, ablegen und anlegen ichtig hinkriegen erfordert viel Übung und Aufmerksamkeit. Bringt aber auch Spaß. Einige Handgriffe wollen zwar partout nicht rein in den Schädel wie z.B. auf den Steg zusteuern beim Anlegen, wo man doch sowieso schon auf Kollisionskurs ist. Und klappt ja auch, wie Lars vorher bewiesen hat. Aber passt halt nicht in die Autofahrerlogik eines Normalmenschen. Na wird schon werden.
Und immer mal wieder ein Dämpfer: "..anlegen kann ich allemal, überhaupt kein Problem." Dieser Satz könnte von mir sein. (Ist er wohl auch!) Tja bis dann halt der Aufschießer ein wenig zu weit leewärts angefahren wird, das Vorsegel auf Geheiß des Steuermannes (auch ich) auf die Luvseite geholt wird, der Vorschoter Leinen entwirren muss... und plötzlich steht die Schot back, das Groß ist geborgen, das Boot dreht nach Lee und ehe man sich umguckt hängt man am Nachbarsteg und kommt nicht mehr weg, weil ein Boot ohne Fahrt halt nicht auf das Ruder reagiert. Und alles natürlich vor den Augen des Segellehrers und zwei unserer Mitseglerinnen. Peinlich, peinlich. Aber auch da muss man halt durch. Die Ausrede Nr.1 "Der Wind hat gedreht." ging auch nicht, weil der Wind hat wirklich nicht gedreht. Also die Fehler merken und nicht wieder machen. Eine Ausrede ergab sich erst Tage später auf Nachfrage nach dem Vorsegel, welches an jenem Tag auch sehr schlecht stand und einfach keine vernünftige Einstellung zu finden wahr. "Ihr hattet das falsche Vorsegel auf eurem Boot." Das hätte vielleicht eine schöne Ausrede für das missglückte Anlegemanöver sein können. Aber zu spät.
Auf Licht folgt Schatten oder umgekehrt. Nach diesem verkorksten Tag folgte dann der letzte Freitag. Ziemlich böiger Wind bei wenig Wellen waren ideale Voraussetzungen für eine gute Segelstunde. Lars hat uns einen Kurs vorgegeben: Bis zur Doppelboje beim Bagger, dann um die Insel herum zurück zum Steg. Das hat mal richtig Spaß gemacht. Man kann sehr schön die Böen kommen sehen und versuchen, sie zu erwischen, um damit Fahrt gut zu machen. Und man ist jetzt mal gezwungen, alle Kurse zu segeln und dabei Raum zu gewinnen. Im Anschluss an diese Segelstunde war ein Boot frei und ich durfte das erste mal allein segeln. Das war so richtig gut. Die Segelmanöver sind zwar etwas umständlich so allein, aber dafür hast du eigentlich ständig alles vollständig unter Kontrolle und kannst absolut entspannt dein Ding segeln. Das hat mir ausgesprochen gut gefallen. Wichtig dabei ist das vorrausschauende Segeln. Du musst wirklich auf den Wind achten und Böen frühzeitig kommen und auch gehen sehen. Nur so kannst du sich sicher sein und wirst nicht in schwierige Situationen gebracht.
Zwei Wochen herrliches Sommerwetter sind vorüber. Auch wenn nicht immer gutes Segelwetter herrschte, so war es doch sehr schön und heiß. Ich fahre von Anbeginn der Segelstunden im Leinetal mit dem Fahrrad von Göttingen nach Northeim. In meiner Erinnerung mischen sich diese vergangenen zwei Wochen nahtlos mit den Kindheitserinnerungen an die herrlich warmen Sommer von früher mit den "Hitzewellen" in meiner Heimatstadt Braunlage im Harz. Es gibt also auch heutzutage schöne Sommerwochen. Man muss diese Zeiten nur intensiv genug erleben und natürlich auch positiv aufnehmen, ohne gleich in das "früher war alles besser" Gerede zu verfallen.
Segeln ist nach wie vor schön. Die Erlebnisse dabei umspannen das gesamte Spektrum: Superschönes Segeln mit gelungenen Segelmanövern, Böen mit Kentern und Mast im Schlamm, Baum am Kopf mit Platzwunde, vermasselte Anlegemanöver und auch neue Anlegevarianten, alles ist vorhanden. Einige Erkenntnisse vertiefen sich durch entsprechende praktische Manöver. So reagiert ein Segelboot überhaupt nicht auf die verzweifelten Bemühungen des Seglers an der Pinne dem nahenden Ufer auszuweichen, wenn der Wind auflandig weht und das Schwert sowie das Ruder nicht abgesenkt sind. Eine von mir zur Perfektion entwickelte Übung ist das Vergessen der Fender nach dem Ablegen. Es sieht halt immer so elegant aus, wenn zwei Fender in leichtem Winkel schön parallel im Wasser mitgeschleppt werden. Vielleicht werde ich dann später eine eingebaute "Fender noch draußen Überwachung" in ein eigenes Boot einbauen. Was immer wieder auffällt ist die fehlende Uhr in so einer 420er Jolle. Wenn doch meistens keine Armbanduhr an Bord ist. Und so'n Zigarettenanzünder ... nein, wohl lieber doch nicht. Man braucht dann ja noch Strom. Das Thema Bootsausrüstung erhält immer neue Nahrung. Nach einer so richtig laschen Segelstunde ohne richtigen Wind ist das Denkvermögen so richtig angeheizt: auf so einer Jolle wäre es demnach absolut notwendig eine Minibar, eine Kaffeemaschine, einen Grill und natürlich gemütliche Liegeplätze (Hängematte o. Ä.) für das Dahindümpeln bei Sonnenschein an Bord zu haben. Und vielleicht noch so wichtige Dinge wie ein Kartenspiel, Radio und vielleicht einen Fernseher.
Der Termin für die Prüfung rückt nun näher. Da wird nun schon etwas Nervosität sichtbar. Es wird gewendet, gehalst, Boje gerettet, rückwärts gesegelt, beigelegen und aufgeschossen, was der Wind so hergibt. Ich freue mich darüber, das nun wohl doch alle genug Mut und Selbstvertrauen gefunden haben diese Prüfung anzugehen. Wichtig ist doch erst mal den Segelschein zu bekommen. Das eigentliche Segeln mit dem dann zur Verfügung stehenden Boot beginnt ja erst. Ich denke das ist wie beim Autofahren. So richtig lernt sich das erst mit der Zeit. Wichtig ist halt, die Regeln zu wissen und eine gewisse Grundkenntnis erworben zu haben.. Alles andere ergibt sich dann.
Nervenflattern vor dem Segeln. Warum? Was ist denn so das Schlimmste, was passieren kann: man kentert, man weiß nicht wo Luv und Lee ist. Man weiß nicht in welche Richtung muss ich steuern für eine Wende oder Halse, der Mitsegler meckert rum, das Boot geht in tausend Stücke, man ertrinkt???? Ist doch alles quatsch. Ertrinken ist nicht, weil wir mit Rettungswesten segeln und immer unter Aufsicht. Jeder passt auf jeden auf und Lars hat eigentlich immer alles unter Kontrolle. Das Boot in tausend Stücke geht auch nicht, weil die Dinger einfach zu stabil sind. Und wenn mal was beschädigt wird, na dann wird es halt repariert. Kentern ist auch nicht so'ne Katastrophe, weil das halt jeder mal macht und das Boot lässt sich wieder aufrichten, ob man das nun alleine schafft oder mit Hilfe ist egal. Und alles andere ist doch erlernbar. Den Mut zusammennehmen und so viel segeln wie möglich. Und auch bei stärkerem Wind oder bei Böen. Dann kommt nämlich unweigerlich der Moment in dem man feststellt: egal was der Wind so anstellt, man kriegt das immer in den Griff. Viel Wind oder eine Bö, das Segel etwas auffieren, kein Problem. Äh, was ich dazu noch sagen muss: die ersten paar Mal hatte ich natürlich auch Nervenflattern und ein bisschen davon ist wohl immer da. Aber das muss ja nun nicht jeder wissen und bemerken tut das sicher auch keiner, weil irgendwie hat das nämlich jeder. - Oder etwa nicht ??
Eine Woche ist nun vergangen. Eine Woche im Besitz des Sportbootführerscheines Binnen. Und keine Zeit, die Gedanken und Eindrücke frisch und ungefiltert hier loszuwerden. Schade eigentlich. Andererseits zeigt es den nahtlosen Übergang in die Theorie des Sportbootführerscheines See. Ganz schön heftig. Aber erst mal der Reihe nach. Der Termin der praktischen Prüfung für den Binnen-Schein war der 1. September. Alle zusammen hatten wir schon so einigen Bammel. Tja und dann ging alles reibungslos und ziemlich unspektakulär über die Bühne des Northeimer Kiessees. Das Wetter meinte es gut . Der letzte wirklich schöne Tag war zwar Freitag. Aber das vorhergesagte Schlechtwetter für Samstag hielt sich in Grenzen. Es regnete nicht und der Wind war eher lau als stark. So saßen wir dann vereint und mal alle gleichzeitig am See und versuchten uns Mut zuzusprechen. Zuerst begannen die Motorbootprüfungen. Ziemlich chaotisch im Ablauf die Organisation, aber ziemlich leicht das Fahren an sich. Mitten drin dann das Zeichen zum Beginn der Segelprüfung. Auf Heidis Wunsch fuhren wir als erstes Paar rüber zum Steg des Segelvereins. Dort waren wir falsch und wechselten zum nächsten Steg. Ich fuhr zuerst: Wende, Halse, Boje über Bord, ein bisschen rückwärts und wieder anlegen. Und alles bitte schön in kurzen Strecken, damit es schnell geht. Wunderbar und hat auch gut geklappt. Heidi war danach dran. Und ich habe es geahnt: Heidi hat das wunderbar hingekriegt. Puh, alle Aufregung der letzten Tage sind nun vergessen. Beide sind wir durch. Bestanden. Hurra. Super. Wir umarmen uns und sind so richtig froh. Ich darf anschließend noch das schlechteste Boje über Bord Manöver meiner kurzen Motorbootkarriere in Northeim vorführen. Aber ein fröhliches Lachen des Prüfers wegen meiner Ungeschicktheit zeigt mir an: auch durch. Tja, und so trudeln alle nach und nach wieder an Lars' Kiosk ein und alle haben bestanden. War ja wohl auch nicht anders zu erwarten bei der Klasse des Teilnehmerfeldes und der wirklich sehr guten Ausbildung durch Lars. Die Stimmung ist wirklich prima und nachdem wir uns geeinigt haben das Wort Knoten heute nicht mehr zu verwenden, bleibt uns nur noch zu warten. Das wird recht lang. Dabei ergibt es sich dann, daß auch Prüfer Mittag essen müssen und die Zeit zieht sich. Aber das ist kein Problem, da wir ja eh vorhaben, den Tag mit einer kleinen Grill-Session fortzuführen. Und dann mit Legitimation in der Tasche noch mal den jetzt aufkommenden Wind zu nutzen und noch 'ne Runde zu drehen. Und so wird es dann auch gemacht. Die Ungeduldigen verschwinden ziemlich rasch nach der Übergabe der funkelnagelneuen Führerscheine. Ist ja auch Mittagszeit durch. Na ja... Der Rest schmeißt jetzt den Grill an, den Manfred und Eva mitgebracht haben. Heinz und Stefan haben außer Manfred und Eva auch was zum drauflegen dabei. Rotwein ist auch da. Und so wird es jetzt so richtig nett. Steffi sucht sich drei Begleiter und das Motorboot wird geentert. Spätestens jetzt müssten die Fische im Kiessee gemerkt haben, daß heute einiges anders ist. Manfred schnappt sich eine Jolle und los geht's. Ich folge ihm sehr bald. Das werden einige schöne Runden um die Insel. Daß ich diesen Törn ohne Baumniederholer gefahren bin wird mir Lars hoffentlich nachsehen. Ist auch nichts passiert. Anschließend sitzen wir noch einige Zeit beisammen und schwelgen in Zukunftsträumen. Lars hat es der Trägheit der noch anwesenden Männer und seinem Handy in der Tasche zu verdanken, daß er dem eigentlich fälligen Bad entkommen ist. Dieser Nachmittag in Northeim am Kiessee wird noch lange in mir nachklingen. Am liebsten wäre ich gar nicht weggegangen, aber zu Hause wartet ja die eigene Familie auf den neuen Segler und so haue ich schließlich ab in Richtung Göttingen. Unvergessen wird das Bild bleiben: Manfred und Eva Arm in Arm gehen den Steg entlang und schauen gemeinsam auf das Wasser. Abschied und Gemeinsamkeit einer zusammen erlebten Segellernsaison drücken sich da aus und erzeugen in mir so etwas wie Wehmut. Ich fahre mit einer etwas verbeulten Seelenverfassung an diesem Samstag durch das Leinetal nach Hause. Ich werde das alles sehr vermissen. Und weil in diesem Jahr der Sommer pünktlich mit dem Beginn des Septembers zu Ende ging kann ich heute sagen: dieser Sommer war einer der schönsten in meinem Göttinger Leben.