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DIE ÜBERFÜHRUNG

Es begann im April 2002 in Flensburg: Helga und ich waren angereist, um unsere Neuerwerbung, eine gebrauchte Segelyacht ETAP 28 Baujahr 1979 zu übernehmen. Unsere ETAP28 im Winterlager Wie es in Segelvereinen üblich ist, wird der Krantermin festgelegt und eingehalten. Und da der Vorbesitzer Dieter N. zugesagt hatte, das Zuwasserlassen zu organisieren lag der Termin Mitte April lange vorher fest. Das Wetter war gnädig und ich gestehe, ich war mächtig aufgeregt.  Um so begeisternder war dann die Übergabe des Bootes durch Dieter und seine Frau Gaby. Gemeinsam wurde der Mast gesetzt, aufgeriggt, die Segel angeschlagen und dabei alles geduldig, kompetent und detailliert erklärt. Keine Frage blieb unbeantwortet und das Ganze endete dann mit einem gemeinsamen Probeschlag in der Flensburger Förde. Nochmal unseren herzlichen Dank an Gaby und Dieter. Tja und nach diesem Samstag mit Sonnenschein und Regen, also Aprilwetter und mit unserer neuen Segelyacht allein lag eine Urlaubswoche vor uns. Eine Woche, in der die Überführung nach Orth geplant war. Vorher wurde unsere Segelyacht getauft. Aus "BALU" wurde "Pelle". Nach der Bootstaufe in Flensburg. Nur sehr klein im Bild zu sehen: "Pelle" unser Reisebär, der Namensgeber für unsere Yacht. Eine Bootstaufe zu dritt (anwesend waren Helga, "Pelle" und ich) mit Rede, Anstossen und einigen Tränen. Wie es sein soll.
Am Sonntag wurde das Boot weiter eingeräumt und hergerichtet. Leider stellte sich dabei heraus, das die GPS-Antenne defekt war. Also führte unsere erste Fahrt am Montag nach Farensodde zu Dantronik, wo uns eine neue Antenne verkauft wurde. Die Ablege- und Anlegemanöver klappten schon nicht schlecht... immerhin ist nichts kaputt gegangen. Dieser Abstecher wurde unter Motor gefahren. Nachdem das GPS nun in Ordnung und auch sonst alles bereit war, sollte es am Dienstag dann endlich losgehen. Das erste Ziel war Sonderborg. Wir hatten tags zuvor die genaue Route auf der Seekarte festgelegt und uns geeinigt, nur bei absolut günstigem Wetter Segel zu setzen, legten wir Dienstag früh in Flensburg Harrislee ab.
Der erste Tag im Logbuch (16.4.2002):
Beim Hafenmeister abgemeldet, Gebühr 39Euro. Das Wetter war erst bedeckt, dann klarte es auf und wurde dann nachmittags wieder bedeckt.
Temperaturen kalt.
Zwischenfall: Motor macht Quietschgeräusche, Motor gestoppt, Keilriemen für zu lose befunden und nachgespannt. Danach keine Geräusche mehr.
Sind zum grössten Teil mit SIMRAD-Autopiloten gefahren, geht gut. Beim Anwindsegeln ist aber Handsteuerung erforderlich. 1 x ungewollt Wende wegen Steuerungsprobleme, von Hand zurückgewendet.
Unterwegs 2 x was Warmes getrunken. Mit Helga macht das alles viel Spaß. Ein schöner Tag.
Anlegemanöver in Sonderborg war gut. Müde...

Soweit so gut. Noch ziemlich unausgegoren, das Ganze. Aber 23Seemeilen unser ersten Schlag. Mit segeln zwischendrin. Immerhin 3Seemeilen. Die anderen 20Seemeilen unter Motor. Na, so im April und zum Anfang, nicht schlecht, oder? Aber weiter geht es. Am 17. April laufen wir aus Sonderburg aus.
Das Logbuch (17.4.2002): Ein merkwürdiger Tag: Ablegen in Sonderburg ok. Wind normal, aber von vorn, also unter Motor.
Nach Verlassen der Flensburger Förde wird die See ziemlich heftig. Wellenhöhe ca. 3/4Meter. Wir runden die Südspitze Gammel Pol und fahren nun in Landsicht auf der Luv-Seite mit hoher See. Ziemlich nervig, das Ganze. In Mommark ist es ganz schlimm: heftige Dünung an der Hafeneinfahrt, auch zu viel Schwell im Hafen. Wir machen zwar fest, aber die Festmacher und Klampen werden zu stark beansprucht. Wir legen also wieder ab und entschließen uns, trotz der späten Zeit (16Uhr) Marstal anzusteuern. Die Fahrt dahin wird zusehends ruhiger, je mehr wir an die Leeseite von Aero herankommen. Der Wind läßt nach. Wir fahren mit ca. 6 Knoten und kommen mit der Dämmerung ca. 20:30Uhr im Hafen von Marstal an. 10 Stunden Fahrt mit Dauerregen und heftiger See, das war schon zeimlich viel für den Anfang.

So, das war der 2. Tag der Überführung. und das war dann schon ganz schön anstrengend für uns Anfänger. Wir haben die Vorzüge einer warmen Dusche genossen und sind dann in einen herrlich tiefen Schlaf versunken...
Nach einem schönen Frühstück am nächsten morgen, aber halt, schauen wir uns weiter das Logbuch an (18.4.2002):
Alles sieht gut aus. Geplant ein kleiner, kurzer Schlag von Marstal nach Bagenkop von nur 9 sm.
Tja, also alles in Ruhe erledigen, Brötchen holen, Hafenmeister suchen, frühstücken etc.
Und es war neblig. Mist.
Also warten ist angesagt. Uns ist jetzt erst aufgefallen, daß der Radarreflektor fehlt. Ich habe nochmals das GPS angeguckt und den geplanten Törn als Sailplan eingegeben. Gegen 14:00Uhr klart es dann auf. Wir beschließen, loszufahren. Doch kaum steht der Kurs wird es wieder neblig. Ganz schön mulmig und irre eindrucksvoll. Total glatte See, Nebel, dazwischen Wasservögel und wir tuckern so vor uns hin. Ein Segen das GPS. So sind wir gut angekommen.

Ein Nachtrag von Helga: Diesen Anblick des Nebels und der ruhigen See werde ich immer vor Augen behalten. Gespenstisch. See wie Seide - grau und ohne Übergang. Avalon läßt grüssen.
So sind wir um 16:30Uhr gut in Bagenkop angekommen. Inzwischen ist mir auch ziemlich klar, daß es ein gewagtes Unternehmen war, so ohne Radarreflektor loszufahren. Kommt nicht mehr vor. Wir sind ziemlich nahe am Land geblieben, um so den Highspeed-Ferries nicht zu begegnen. Erfreut und auch erstaunt waren wir darüber, daß die in der Seekarte vermerkte Fähre von Bagenkop nach Kiel schon seit 2 Jahren eingestellt ist. Na, umso besser, besser jedenfalls als umgekehrt. Was aus dem Logbuchtext nicht eindeutig zu lesen ist: wir hatten absolute Flaute, was erst die ach so glatte Wasseroberfläche und die damit verbundene, schwierige Orientierung wo endet das Wasser und wo beginnt der Nebel nach sich zog. Und was dann auch wieder den Einsatz des Motors notwendig machte.
Der erste Gang am nächsten Morgen war der zur Werkstatt, wo ein Radarreflektor gekauft wurde. Seit diesem Erlebnis hatten wir immer den Reflektor im Rigg, aber keinen Nebel mehr. Gut so. Der letzte Tag der Überführung am 19.4.2002 bleibt im Logbuch unkommentiert. Ausser den natürlich für alle Tage vorhandenen Daten wie Kurse, Winstärken und Windrichtungen, Angaben zum Wetter und den Positionsangaben ist an diesem Tage kein Eintrag vorhanden. Dieser letzte Schlag von Bagenkop nach Orth verlief dann auch ziemlich problemlos. In Bagenkop haben wir um 12:10Uhr abgelegt. Der Wind stand günstig und kam von Osten mit ca. 2-3Beaufort. Also unser erster Tag unter Segel. So sah es jedenfalls anfangs aus. Am Nachmittag schlief der Wind dann ein und so war dann doch wieder unser 13PS-Volvo-Penta gefragt. Der brachte uns dann auch ohne Murren nach Orth, wo wir um 20:15Uhr unseren Liegeplatz mit der Nummer 38 in Besitz nahmen. Das Ende des ersten Törns mit unserer eigenen Segelyacht, einer ETAP28 mit dem Namen Pelle war gekommen. Hier in Orth erwartete uns schon unsere Tochter Kathrin, die unser Auto hergebracht hatte. Zu dritt unternahmen wir dann am 20.4.2002 noch einen kurzen Schlag in die Orther Bucht.
Dazu das Logbuch: Heute haben wir herrlichen Sonnenschein und liegen mitten im Hoch bei 1028hPa. Da heute (Sonntag) Abreisetag ist, fahren wir zusammen mit Kathrin in die Orther Bucht. Und siehe da, die See kräuselt sich und es kommt etwas Wind auf. Immerhin genug für 2 Wenden und einen Vorwindkurs zurück zum Hafen.
Eine schöne Woche geht zu Ende. SCHADE.

Zum Abschluss noch ein paar Statistikdaten: 7 Reisetage, 6 Häfen besucht, 118 Seemeilen zurückgelegt. Unsere ersten 118 Seemeilen. Wir sind schon ein wenig stolz und überglücklich über diese Woche. Wir hatten beileibe kein gutes Wetter, es hat viel geregnet, und der Seegang war auch heftig. Und trotzdem, oder sogar eben deswegen war es eine schöne Woche. Voller Eindrücke, die unsere gemeinsame Segelzukunft in frohe Erwartung rücken. Wir zwei, meine liebe Frau Helga und ich, sind an diesem Sonntag, dem Ende der Überführung "Pelle" von Flensburg/Harrislee nach Orth auf Fehmarn sehr, sehr glückliche Menschen.